Dienstag, 14. August 2007

Tag 5: This is a public service announcement

Als Steve wieder erwachte war die Straße auf der er gelegen hatte menschenleer. Er schlenderte durch die Geisterstadt in der Hoffnung auf andere Menschen zu treffen, die noch bei Verstand waren. Die gespenstische Stille der teilweise durch Plünderungen schon verwüstete Innenstadt erzeugte in ihm ein beklommenes Gefühl und sein Schritt wurde von Minute zu Minute schneller bis er endlich anfing zu rennen. Er wollte nur noch raus aus der Stadt, raus aus diesem Land, in dem es anscheinend nur noch Idioten gab.
Nach einer Zeit war er sichtlich erschöpft. Der laxe Lebenswandel ohne Sport, dafür jedoch mit gesteigertem Alkoholkonsum machte sich nun bemerkbar. Vor einem Elektro-Warengeschäft ging er in die Knie und merkte erst nach einer Weile, dass das Fernsehgerät, welches zu Werbezwecken im Schaufenster stand Live-Bilder aus der Downing Street zeigte. Entschlossen nahm Steve einen Stein aus dem losen Pflaster und schmiss ihn durch das Glas in den Laden. Zur Zeit schien eh alles egal zu sein und so machte er sich keine Sorgen von irgend jemanden belangt zu werden.
Stuart Pearce, der jetzige Premierminister Großbritanniens verlas eine Regierungserklärung und erläuterte die einzelnen Punkte. Von nun an herrschte im Königreich Kriegsrecht; alle Gewalt ging de facto von der Armee aus. Steve malte sich schon gleich aus was dies bedeuten würde. Ihm schossen sogleich Bilder von Bürgern, die durch die Präsenz der Armee in den Straßen eingeschüchtert waren und kaum noch Freiheiten genießen konnten. War es nicht schön ironisch, dass man in diesem schönen Lande seit der Geburt darauf getrimmt wurde, totalitäre Regime zu verachten nun eben dieses Land aber auf klassisch repressive Maßnahmen zurückgriff? Wo war der Sinn eine Art Militärdiktatur zu errichten nur weil ein paar Menschen einen Witz nicht verstanden?
Ein weiterer Punkt der Erklärung riss Steve jäh aus seinen Gedankengängen. Der Premier verhängte eine Ausgangsperre für die gesamte Bevölkerung, ausschließlich dem Militär wurde das Recht der Freizügigkeit gegönnt. Er musste also bis zehn Uhr einen Unterschlupf finden. In seine alte Wohnung wollte er auf keinen Fall zurück denn dort konnte er sowieso nur alleine sprichwörtlich Abwarten und Tee trinken. Schon eine halbe Ewigkeit lang war sein inneres Verlangen nach Gesellschaft nicht mehr so groß gewesen wie jetzt. Nach kurzem Überlegen kam er zu dem Schluss, dass es einen Ort in der Stadt gebe, an welchem man zu jeder Tageszeit die unterschiedlichsten Leute treffen kann: im örtlichen Tesco!
Dort angelangt traf er dann auch gleich auf ein paar Menschen, die er zumindest vom Sehen kannte. Sein Nachbar John Miller, ein offenbar geistig verwirrter Mann, der sich für einen Pirat hielt (auch heute hatte er seine merkwürdige Kleidung an) war da, Steve traf seinen Zahnarzt und auch Elizabeth von der Arbeit, das Mädchen, dem er es schon hunderte Male, wenn auch nur in Gedanken zwischen die üppigen Brüste besorgt hatte schlenderte durch die Gänge auf der Suche nach anderen geistig wenigstens halbwegs gesunden Menschen. Zusammen versuchten die Vier sich hier im Supermarkt zu verschanzen und abzuwarten bis die Krise vorbei war. Außerhalb des Gebäudes war es mittlerweile in zwiefacher Hinsicht nicht mehr sicher, denn zu der Bedrohung durch religiöse Fanatiker kam jetzt auch noch die Bedrohung durch den Staat. Eine Sache war nämlich allen klar. Wenn man nach der Sperrstunde erwischt wurde und sich nicht ausweisen konnte würde dies im besten Falle noch bedeuten in ein Internierungslager zu kommen.
Nach wenigen Stunden hatten sich auch andere Leute zu der Gruppe gesellt. Den gesamten Tag über erreichten die braven Bürger Englands die Tesco-Filiale um sich vor den drohenden Massen von Pilgern zu retten. Steve, der bis dato eher devoter Natur war zeigte nun seine verborgenen Führerqualitäten. Er organisierte Schutztrupps, die dafür zuständig waren die gesamte Nacht über Wache zu schieben, teilte die übrig Gebliebenen in die verschiedensten Arbeitsbereich, die von Nöten waren (wie etwa Putz- oder Kochdienst) und machte sich selbst einen faulen Lenz. Nachdem er mit der Organisation vorerst fertig war ging er aufs Dach um der untergehenden Sonne entgegen zu sehen und zu reflektieren, was sich in den letzten Tagen abgespielt hatte. Als er spöttisch über den Rest der Welt, den er nun noch mehr verachtete gelacht hatte, denn er war der festen Überzeugung, dass sich in wenigen Tagen alles beruhigen würde, spürte er eine fremde Hand auf seiner Schulter und fuhr erschrocken um.

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